16.02.2022

5 Gründe den Brief nicht abzuschicken! Akzeptanz ist das Schlüsselwort!

Anna und ich treffen uns auf einen Kaffee. Im Wald. An einer Wasserstelle. Sie hat mich angerufen. Sie muss raus. Sie muss reden.

Spaziergang. 
Anna wirkt auf mich müde und leer. Ich frage sie, was los ist. 

Sie sagt mir, dass sie einen Brief an ihre Ex-Liebe geschrieben hat. Ich weiß jetzt, dass sie ihre Freundin zum Zuhören braucht. Denn Gespräche die nur im Kopf statt finden und nie wirklich laut ausgesprochen, werden irgendwann unangenehm und drehen sich im Kreis.




Wir sitzen auf der Parkbank mit dem Thermobecher mit heißem Kaffee in der Hand. 
Die Luft ist frisch und klärt den Kopf. 
Anna möchte reden. Sie ringt mit ihren Gefühlen.

Anna:
"Danke, dass du mir zuhören wirst. Es geht um diesen Brief an ihn. Der Entschluss ist gefallen. Das Kuriose ist, dass mir durch diesen Brief einfach so vieles klar geworden ist. Deswegen brauche ich dich jetzt gerade heute zum Reden.

Ich habe überlegt, ob ich den Brief abschicken soll. Das ist manchmal so strange, ich schreibe und schreibe und ich frage mich, wird es überhaupt was ändern. Und ja, es ändert beim Schreiben schon eine ganze Menge.

Wieder einmal bin ich diejenige, die alles aufarbeiten und nichts unter den Teppich kehren will. Das Bedürfnis nach Klärung ist groß. Doch kann ich nicht mit ihm reden. Ich würde mir wünschen, ihn direkt anzurufen. Kann ich nicht. Schaffe ich nicht. Einfach seine Stimme zu hören. Dann die Frage: Würde es wirklich etwas ändern?

Ich habe immer und immer wieder versucht ihm zu erklären, wie es mir geht. Natürlich alles in diesem Brief. Ich habe geweint beim Schreiben, ich habe seine und meine Zeit nochmal so heftig und intensiv gefühlt. Ich weiß, dass er mich nicht versteht. Denn er versteht sich meistens nur selbst und hat enorme Angst."

Maria: "Was ist mit dem Brief? Hast du ihn zu Ende geschrieben? Was ich nicht verstehe, wieso hat er Angst?"

Anna: "Ja das habe ich. Er liegt in meiner ersten Schublade vom Schreibtisch. Weißt du, wir hatten vor ca. 5 Monate einen letzten Chat, noch nicht mal ein persönliches Gespräch. Er sieht es gar nicht ein, warum ich eine Entschuldigung von ihm fordere. Er hat Angst und setzt sich ungern mit Sachen auseinander. Das hat er mir immer zum Vorwurf gemacht, dass ich Sachen quasi verarbeitet haben will."

Maria: "Oh Ok. Ihr habt gar nicht persönlich miteinander gesprochen?"

Anna: "Nein. Wir hatten kurz wieder geschrieben, dass wir uns treffen wollten. Wobei wir vorher schon wieder sporadisch Kontakt hatten. Ich hatte das Gefühl, dass soviel ungesagtes, ungefühltes zwischen uns steht. Das Vertrauen war echt kaputt. Ich wollte ihm sagen, was alles noch so ans Licht gekommen ist. Er vertraut mir nicht und ich ihm erst recht nicht. Ich denke, er wollte nur noch mal sexuellen Kontakt! Ich dachte, er hätte sich geändert. Er sagte mir, die Zeit mit mir sei Premium. Er hat so vieles gesagt und nichts getan. Was sollte ich ihm denn noch glauben, wenn die Lügen immer wieder ans Licht kamen."

Anna atmet tief ein und dann etwas länger über den Mund aus.  

Anna: "Das hat mich so geärgert." Sie ballte ihre Hände zu Fäusten.
"Am meisten hab ich mich über mich selbst geärgert, weil ich doch wirklich geglaubt hätte, ich würde ihm was bedeuten und er hätte gemerkt, warum ich alles gesagt und geschrieben hatte, was mich bewegte und ich auch so zu ihm war und ihn genauso behandelt hatte. Ich war an seiner Seite immer 150% Loyal." 

Maria: "Und jetzt willst du ihm noch mal schreiben bzw. hast du diesen Brief geschrieben? Hab ich das richtig verstanden?"

Anna: "Ja, ich habe diesen Brief nochmal geschrieben. Ich hatte das Gefühl, diese Wörter müssen aus meinem Kopf heraus. Er war illoyal. Er hat gelogen und mich betrogen. Mich hinters Licht geführt. Er hat viele Leute manipuliert. Und ich fragte mich, was war wirklich real und echt? Wieviel Schauspiel habe ich mir angeschaut? Natürlich habe ich  mir selbst auch die Schuld gegeben, weil ich es vielleicht nicht sehen wollte oder auch evtl. hinters Licht geführt werden wollte."

Tränen kullern aus ihren hübschen grünen Augen und sie blickt geradeaus auf das Wasser.

Maria: "Was ist dein Gefühl gerade zu ihm?"

Anna: "Ich weiß, ich bin bescheuert. Wie kann man so einen Mann lieben, der für einen so schädlich und unehrlich ist. Der Angst vor sich selbst hat und und alles verdrängt, was schlechte Gefühle macht. Ich vermisse ihn oft. Manchmal träume ich so intensiv von ihm, dann bin ich traurig. Ich habe es damals nicht verstanden, dass er mir so weh getan und sich so verstellt hat. Manchmal glaube ich auch, ich wollte ihn nicht anders oder sollte ihn nie anders sehen.."

Ich atme tief ein und wieder aus. Der warme Atem dampft in der Kälte und leichter Kaffeegeruch mischt sich mit rein. Ich denke an diesen Brief von Anna und frage sie dann: "Was ist der konkrete Grund, warum du diesen Brief nicht abschicken wirst?"

Anna: "Weißt Du, vor ein paar Monaten war ich noch wirklich wütend. So richtig wütend. Ich glaube, das hat ihm Angst oder Unbehagen gemacht, weil er mich nicht mehr so einschätzen oder gar manipulieren konnte. Ich war wirklich sauer und so tief verletzt darüber, dass er sich nicht mal in der Schuld sah. Wie er mich für sich genutzt hatte und ständig immer nur die Vorteile überall holte.

Ich wollte mich auch entschuldigen. Denn wir beide waren nicht immer fein. Denn einer ist es nicht immer allein, weißt Du? ... Ehrlich gesagt, war ich so enttäuscht und traurig darüber, wie scheisse er wirklich sich mir gegenüber verhalten hat. Wir haben uns nur noch misstraut. Er mir nie ein Wort gegönnt und ist immer "weggelaufen". Wobei er der Mann war, wo ich das Gefühl am Anfang von Sicherheit hatte, er konnte mich so nehmen wie ich bin und wir waren mehr als ehrlich miteinander. Doch dann kam der Punkt, wo er sich innerlich zurück zog, nicht mehr offen, so abgrundtief misstrauisch, er knallhart log und unehrlich war. Dann denke ich, was war mein Beitrag? Womit habe ich ihn verletzt? Was war der Grund für sein Misstrauen?".

Anna schaut runter auf den Boden und räuspert sich: "Weißt Maria, diesen Mann hab ich genauso geliebt, wie er am Anfang war. Ich hab ihn immer verteidigt und habe dieses besondere in ihm gesehen. Wir haben sogar ein Blatt Papier (so eine Art "Gelöbnis")geteilt und haben uns damals gesagt, wenn der eine den anderen braucht oder irgendwas passiert, ist der andere für ihn da. Dieses Blatt Papier habe ich  im Dezember verbrannt, weil er durch seine Taten meine Seele verbrannt hat."


Maria: "Mhhh."
Ich schlucke ein wenig und lasse Annas Worte auf mich wirken.
Ich spüre diese schwere Traurigkeit, Enttäuschung und doch diese Sehnsucht von Anna.

Anna: "Er hat mir immer gesagt, dass die Suche für mich nach einem Partner an meiner Seite vorbei ist, weil wir beide so gut zusammen passen und wir uns gefunden haben. Leere Versprechungen! Durch seine ganzen Lügen und das er selbst nie wirklich frei war von allem, konnte ich es ihm nicht mehr glauben und bin wieder auf die Suche für mich gegangen."

Maria: "Was hast du auf deiner Suche gefunden?"

Anna lächelt ein wenig. Der Blick ist weiterhin leer und traurig. 
Anna: "Ich glaube, ich habe mich gefunden. Er hat mir gezeigt, was mir wichtig ist und was für ein Mensch ich bin. Dafür bin ich ihm schon dankbar. Andere Männer hatten und haben derzeit keinen Platz und das meine liebe Maria, war und ist unfair von mir. Also bin ich auch unfrei!"

Maria: "Das hört sich schön an. Es berührt mich und zeigt wie sehr du dich gefunden und reflektiert hast. Doch du hast den Brief geschrieben und schickst ihn nicht ab."

Anna: 
"1. Die Entschuldigung fehlt. 
Er hat sich nie entschuldigt und auch dieser Brief, wäre einfach wieder mal eine Aufforderung an ihn, dass er sich entschuldigt! Ich muss es akzeptieren. Schicke ich diesen Brief nicht ab, ist es meine Akzeptanz.

2. Ich fühle, dass sich durch diesen Brief nichts ändern wird. Rein gar nichts! Akzeptanz der Situation.

3. Mir hat das Schreiben geholfen, meine Gedanken und Gefühle zu sortieren. Mit dem kann er nichts mehr anfangen. Akzeptanz des IST-Zustands.

4. Alles kommt so wie es kommen soll. Er hat sein Leben und ich habe mein Leben. Akzeptanz meines Werdeganges im Bereich der Liebe.

5. Ich werde immer versuchen, das Beste aus dem Ganzen zu ziehen und meine Erfahrungen zu verstehen. Die große Akzeptanz aller Gründe."

Maria: "Das sind 5 berechtigte Gründe und ein großer Schritt in eine für dich sich gutanfühlende Richtung."

Anna: "Ich danke Dir, das alles noch mal laut auszusprechen und zu wissen, dass mich jemand hört. Es gibt mir das Gefühl, alles noch mal von außen zu sehen und vor allem auch anders zu fühlen."
 
Ich nehme Anna in den Arm und drücke Sie mal fest. Sie drückt mich zurück. Ich lehne mich auf der Bank zurück und gucke sie an.

Maria: "Ich bin stolz auf dich. So ehrlich mit sich selbst zu sein und zu sehen, was die Erfahrungen einem gebracht haben. Eine Frage habe ich aber noch. Liebst du ihn?"

Anna atmet tief ein und schaut mich mit Tränen in den Augen an.

Anna: "Maria, er wird immer einen Platz in meinem Herzen haben und ich glaube auch, ich kann erst mal keinem Mann einen Platz in meinem Herzen anbieten. Das wird solange sein, bis es vollständig geheilt ist. Diese große und feste Kruste vom Herzen muss irgendwann abfallen."


Anna und ich stehen auf und gehen in Richtung nach Hause. 

Wieder ein Tag mit mehr Selbsterkenntnis und warum aufschreiben manchmal einfach nur hilft sich selbst zu strukturieren, sich selbst und andere zu akzeptieren wie sie sind und zu sehen, wofür man dankbar ist sowie welche Gefühle immer ins uns schlummern werden.